Die 3-täge Reise von Frankfurt in die Anden
Ich war damals 10 Jahre alt
Quietschend und schwarzen Qualm ausstossend, quälte sich der uralte, gnadenlos vollgestopfte Bus den steinigen, staubigen Pass der Anden auf über 4000 m hoch. Die dicht gedrängten Menschen, die sogar im Gang auf ihren bunten Bündeln aus farbigem Tuch, in dem sie ihr Hab und Gut trugen, sassen; hatten sich nach 4 Stunden Fahrt bereits mit der schlechten Luft, der unbequemen Lage und dem scheusslichen Gerüttel des Buses abgefunden. Ich hätte vielleicht bei meinen Eltern wegen der unkonfortablen Reiseart quängeln sollen, doch mir war so übel, dass ich weder denken noch jammern konnte. Die Höhenkrankheit hatte auch mich erwischt. Nach 52 Stunden Reise von Frankfurt bis La Paz in Bolivien über mehrere grosse Flughäfen dieser Welt, war ich so müde wie noch nie zuvor. Trotzdem waren es noch etwa 8 weitere Stunden bis wir auf einer kleinen Farm mitten im peruanischen Hochland, etwa 60 km entfernt von Puno, ankommen sollten. Ich muss wohl sehr blass ausgesehen haben, denn in Copacabana, kurz vor der peruanischen Grenze, hatte eine nette Bolivianerin Mitleid mit mir und gab mir einen Kamillentee. Es war der Beste, den ich je getrunken habe, denn mein leergebrochener Magen konnte sonst nichts anderes bei sich behalten. Dankbar schaute ich die Frau an. Sie sah hübsch aus mit ihrem typischen Bowlerhut, unter dem 2 lange, schwarze Zöpfe mit Bommeln an den Enden hervorlugtem, der bunten Strickjacke und den 4 lagigen Röcken. In einem farbenprächtigen Tragetuch, Lliclla genannt, trug sie ein pausbäckiges, lachendes Baby auf dem Rücken.
Den Rest der Fahrt habe ich mehr oder weniger vergessen. Meine Eltern und Schwester waren doch schliesslich doch eingeschlafen, ich schaute ungläubig, wie in einem Traum aus dem Fenster auf die unendlich weite Landschaft des Altiplano (Hochland) und das intensive, fast unwirkliche blau des Titicacasees. Schlafen konnte ich nicht, unfassbar war die Tatsache, das ich nun hier leben sollte.
Am Abend kamen wir in Juliaca (Peru) an, wo uns unser Gastgeber mit seinem altem VW-Käfer abholte. Zu fünft mit genau 26 Gepäckstücken quetschten wir uns irgendwie hinein. Ein Teil des Gepäcks wurde auf dem Dach transportiert. Nach der unbequemen Busfahrt von la Paz, dachte ich, dass es keinenoch schlechteren Strassen mehr geben kann, aber ich hatte mich geirrt. Die letzten 40 Minuten Fahrt erinnerten mich an eine Achterbahn ohne Stossdämpfer. Stockdunkle Nacht umgab das Auto- auf dem ländlichen Feldweg gab es weit und breit kein Licht, die Scheinwerfer des VW-Käfers schienen gerade so hell, das man das nächste Schlagloch erkennen konnte.
Plötzlich tauchte ein warmes Licht in der undurchdringlichen Dunkelheit auf. Es gehörte zu einem einsam stehenden Haus inmitten des kargen Berglands der Anden. Es war Kerzenlicht, den Strom gab es nicht. Auch kein fliessendes Wasser, eine Toilette oder gar eine Dusche. Die Frau unseres Gastgebers machte uns auf. Warm war es nicht im Haus (die Einheimischen besitzen nie eine Heizung), aber gemütlich. Zum essen war ich zu müde, so brachte mich meine Mutter in ein kleines Zimmer mit einem Metallstockbett. Mühsam kletterte ich hinauf. Mein letzter Gedanke, bevor ich in den tiefen Schlaf der totalen Erschöpfung fiel, war, dass man hier anstatt Decken wohl Teppiche zum schlafen verwendete. (Bald sollte ich erfahren, das die traditionell verwendeten, schweren Decken aus gepresster Alpakawolle bestehen).