Ökolodge im Dschungel Boliviens

Urlaub abseits aller touristischen Pfade

Reiten, Wandern, Dschungeldörfer entdecken oder...

unter Bäumen sitzen und einfach nur sein

Dreifach nachhaltig: Das Ökohotel im bolivianischen Dschungel lebt Tourismus als Möglichkeit vor, Gäste für die schützenswerte Natur zu begeistern, Brücken zu bolivianischen Identitäten und Kulturen zu bauen und wirtschaftliche wie soziale Netzwerke aufzubauen.

 

Ankommen und Durchatmen

Wo nachts die Eule ruft, frühmorgens der Gesang von Amseln und Wildhühnern den Tag ankündigt und sich tagsüber bunte Tukane in den Baumkronen tummeln – hier liegt das Ökohotel „Paradies der Singdrossel“. Eingebettet in den Dschungel, schmiegt es sich ins Valle del Medio, ein kleines Tal im Süden Boliviens. Das Kleinod befindet sich in der Wiege des Guaraní-Volks und zugleich mitten in einem der größten und bekanntesten Weinbaugebiete Boliviens. Ihren Namen trägt die Unterkunft nicht umsonst: Umgeben von dichten Nebelwälder lockt die kleine Oase mit nahezu mystisch-paradiesischer Stimmung.

Ein Garten voller Blumen umgibt das ehemalige Bauernhaus, von dort schweift der Blick über üppiges Grün, Berge und Täler und bis zum wilden Fluss Salinas. Die mit bunten Decken und Tüchern geschmackvoll eingerichteten, behaglichen Räume mit großen Panoramafenstern laden ein zu entspannen und sich wohlzufühlen. „Bei uns kann der Gast einmal so richtig die Seele baumeln lassen“, erklärt Gastgeberin Ursula, die das Hotel mit ihrem bolivianischen Mann Juan aufgebaut hat. Eine feste Auscheckzeit gibt es nicht, denn der Gast soll sich Zeit nehmen und so richtig in die Natur eintauchen – wenn auch nur für einen Tag. „Er soll ankommen können, durchatmen, lange Spaziergänge durch die herrlichen Landschaften machen – oder unter einem Baum sitzen und einfach nur sein“, ergänzt sie.

Sie schwärmt von den vielen Zedrach-, Lapacho- und anderen uralten Bäume auf ihrem Grundstück, in deren weit auslandenden Kronen sich gern bunte, singende und trällernde Vögel versammeln. Einige der Baumarten sind nur noch schwer zu finden, deshalb ist es ihr zum besonderen Herzensthema geworden, sie zu schützen und zu erhalten. Ihr hundert Hektar großes Grundstück hat die Familie zum Naturreservat erklärt und möchte auch unter ihren Gästen Begeisterung für die unberührte Natur und all die schützenswerten Pflanzen und Tiere entfachen.

 

Ruhe und Wildnis zugleich

Das Angebot an Aktivitäten in der Ökologischen Herberge ist bewusst einfach gehalten. „Natürlich bieten wir einen guten Komfort“, erklärt Juan Nicolás , der Sohn der Familie. „Der Gast soll sich bei uns wohl fühlen! Wir haben gemütliche, helle Zimmer mit Privatbädern und Heißwasser sowie ein gutes Restaurant. Aber es ist nicht so, dass der Gast den ganzen Tag was geboten bekommt. Er soll einfach raus in die Natur und auch mal Matsch nach Hause tragen“.

Die Umgebung bietet Gelegenheit zu Mountainbiking, Pferderitten und zu ausgiebigen Wanderungen durch die Wildnis und zum nahe gelegenen Dorf. Wer so richtig Wildnis-Feeling sucht, kann sich gar daran versuchen, mit der Harpune Fische zu fangen. „Die beste Reisezeit für den bolivianischen Dschungel“, empfiehlt Juan Nicolás, „ist vielleicht sogar die Regenzeit. Da hat der nahe gelegene Fluss so richtig viel Wasser, und Abenteuer-Sportarten wie Wildwasser-Rafting machen dann besonders Spaß.“ Sich tagsüber austoben und abends bei einem Glas bolivianischem Rotwein vor dem Kamin entspannen – wo kann es intensivere Naturerlebnisse geben? „Unsere Gäste finden hier Ruhe und Wildnis zugleich“, erklärt Juan Nicolás. 

Auswandern auf Probe?

Ursula und ihr bolivianischer Mann zogen 1981 von La Paz in den südlichen Teil Boliviens. Sie ließen sich nieder im Valle del Medio, einem kleinen Tal unweit von Tarija und in der Nähe des Tariquía Flora und Fauna Nationalparks (Reserva Nacional de Flora y Fauna Tariquía). Das bolivianische Chaco-Gebiet, so der Name für die weite Trockenwald-Region, ist bekannt für ihre unendliche Artenvielfalt und ein Paradies für Forscher. Ursula Wiedemann und Juan Tárraga konnten den Gedanken nicht mehr loslassen, den Reichtum an Flora und Fauna, den sie dort vorfanden, mit Gästen aus aller Welt zu teilen. Aus einer tiefen Überzeugung heraus, die Umwelt schützen und Menschen für Natur- und Artenschutz sensibilisieren zu wollen, begannen sie im Jahr 2000, die Ökoherberge aufzubauen. Als Beitrag zum Schutz seltener Arten haben sie begonnen, gemeinsam mit Fachleuten Tiere und Pflanzen zu katalogisieren. Biologen, Umweltmanager oder Studierende naturwissenschaftlicher Fächer sind jederzeit willkommen, diese wichtige Arbeit zu unterstützen und fortzuführen.

Als dritte Säule neben Naturreservat und Ökohotel betreibt die Familie auch ökologischen Landbau. Das Gemüse, aus dem Ursula  für ihre Gäste leckere Gerichte zaubert, stammt zum Großteil aus dem eigenen Garten. Da die Gastgeberfamilie so natürlich wie möglich wirtschaften und den Böden möglichst wenig schaden möchten, bearbeiten sie die Erde nicht mit modernen Maschinen. Kartoffeln bauen sie ganz traditionell mit dem Pferd an: „Unser Haus ist ein altes Bauernhaus“, erklärt Juan Nicolás, „wir wollen diesen Lebensstil nicht ganz aufgeben“. Helfende Hände sind immer willkommen. Wer also Lust hat auf Freiwilligenarbeit, für den ist hier der perfekte Ort zum Auswandern auf Probe!

Mit den Bewohnern im Umland, wo viele Guaraní leben, pflegt die Familie oft Tauschhandel. Generell arbeitet die kleine Hotelgemeinschaft eng mit den Menschen aus dem Nachbardorf zusammen, denn sie sehen Tourismus auch als Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen. Durch den engen Kontakt mit den Nachbarn ist es in der Dschungel-Lodge – mag sie auch abgelegen sein – dennoch stets gesellig. Immer wieder spielen Musiker aus dem nahe gelegenen Dorf, manchmal kommen Schulklassen. „Die finden es dann immer ganz spannend, wenn Reisende aus ihren Ländern erzählen“, berichtet Juan Nicolás. Das wünschen wir uns, dass unser Gäste aus aller Welt die Menschen hier auch an ihren Lebenswelten teilhaben lassen!“ Bei so viel Gastfreundschaft – was mag da noch davon abhalten, sich auf den Weg ins Paradies zu machen?

Text: Elena Rupp
Fotos: Wiedemann

Artikel-Info
Land Bolivien
Kontinent Südamerika
Thema Porträt Öko-Hotel
Autor Elena Rupp