Individuelle Reise durch die Anden Perus

Zwischen Inkaland, spanischem Erbe und andiner Seele

Über den Wolken

Atemberaubende Höhen und Panoramen zum Träumen

Kaum eine Reise umfasst solch vielseitige kulturelle Eindrücke wie die „klassische Route“ durch die peruanischen Anden. Sie führt nicht nur durch stolze Kolonialstädte und beeindruckende Inka-Stätten, sondern auch tief in die andinische Seele. Dafür lohnt es sich, Touristenpfade auch mal zu verlassen.

 

Wie eine sich krümmende Schlange winden sich die staubigen Straßen durch das südliche Hochland. Bald kriecht der Blick raue Felswände empor, bald stürzt er steil in tausend Meter tiefe Schluchten, bald öffnet sich hinter dem nächsten Pass die weite Hochlandebene – darüber blauer Schäfchenwolkenhimmel. Die klassische Route von Lima zum Titicacasee ist nicht nur eine landschaftliche Wucht, auf ihr liegen auch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Perus wie die alte Inka-Hauptstadt Cuzco, Machu Picchu und die Kolonialstadt Ayacucho. Sie führt zudem mitten ins Herz der Anden und in Orte, die tief in die Seele der Bergvölker blicken lassen, verweilt man eine Weile dort.

Zu gern hätten wir unsere Reise von Lima aus mit der legendären Zugfahrt über La Oroya begonnen, bei der der Zug in kurzer Zeit von 0 auf knapp 5000 Höhenmeter klettert. Doch der Fahrplan sieht nur einen Zug pro Monat vor und hatte im April keine Fahrt für uns parat. Begeistert stellten wir fest, dass die Busfahrt kaum weniger spektakulär war und der alte Motor die kurvenreiche Straße sogar noch etwas höher keuchte als der Zug. Etwas enttäuschte Gesichter machten wir zwar, als wir in Huancayo eine Art „zweites Lima“ vorfanden – laute Straßen, hupende Autos und alles andere als ruhige Nächte. Aus Versehen landeten wir jedoch in einem Bus, mit dem wir nur zu einem vermeintlich nah gelegenen Markt wollten, und der uns mit seiner Fahrt durchs Hinterland dann ein Peru offenbarte, wie wir es wohl kaum auf üblichen Pfaden vorgefunden hätten.

Noch tiefere Einblicke in die andinische Kultur gewährte uns Huancavelica. Es lohnt sich eben, sich auch mal abseits der Touristen-Hochburgen zu bewegen – und vor allem nicht direkt nach Cuzco zu fliegen, sondern etwas langsamer zu reisen. Die ehemalige Minenstadt ist völlig untouristisch und lädt mit dem malerischen Panorama, das den Ort umgibt, mit ihren Thermalbädern und der netten Atmosphäre zum Verweilen und Entspannen ein.

Zwischen kolonialem Stolz und rustikaler Einfachheit

Etwas Abwechslung bietet die nette Kolonialstadt Ayacucho mit ihrem europäischen Flair, ihren bunten Häuserfassaden, ihren vielen Cafés und Restaurants und ihren unzähligen Kirchen. Erlebnisreich: Ein Besuch auf dem Markt (Fleischabteilung: Nase zuhalten). Keinesfalls missen: In spätabendlicher Dunkelheit (Obacht!) durch die Stadt schlendern – die Atmosphäre ist herrlich. Die Stadt bietet viel Kultur und Gelegenheit zu schönen Ausflügen. Ein Pärchen machte hier die gleiche Erfahrung wie wir in Huancayo: „Die Fahrt ins Hinterland mit einem kleinen Mini-Bus hat uns Peru näher gebracht als irgendein Museum!“

In Hinblick auf die Geschichte weckt die Stadt gemischte Gefühle – Ayacucho war in den 80er-Jahren Hochburg der Guerrilla-Organisation Sendero Luminoso. Ausgangspunkt waren die kargen Lebensumstände in der verarmten Provinz. Die maoistische Bewegung hatte eine Umordnung des Staates zum Ziel und löste bürgerkriegsähnliche Zustände aus. Cyntia[1], die wir in Ayacucho kennenlernten, sah mit sechs Jahren zu, wie ihr Bruder entführt wurde. Sie berichtete uns eindrücklich, wie die Landbevölkerung unter Druck gesetzt und, so sie der Bewegung ihre Sympathien verweigerten, verschleppt, gefoltert oder gar ermordet wurde. Immer noch forschen Menschen in Massengräbern nach ihren Angehörigen. Wenige Tage vor unserem Besuch erhielt Cyntias Familie eine Nachricht: Eine Leiche, die gefunden wurde, könne möglicherweise der Bruder sein. Die Identifizierung läuft, die Familie bangt um ein positives Signal. Mehr erzählen können die Witwen Ermordeter, die 2005 das Museo de la Memoria gegründet haben.

Auch heute noch liegt die von uns bereiste Strecke in einer der ärmsten Regionen Perus. Viele Menschen, so zeigten uns Gespräche mit Einheimischen, sind Selbstversorger. Wer längere Busfahrten durch die Anden unternommen hat, bekommt ein Gefühl dafür, wie schwer zugänglich viele Regionen sind, etwa für Warentransporte – möglicherweise ein Grund, weshalb so viele Menschen autark leben.

Peru Hightlights

Cusco, Machu Picchu

Zeugnisse einer bewegten Geschichte

Einen völligen Kontrast zu der „Normalität“, die wir auf unserer bisherigen Reise erlebt hatten, bot natürlich Cuzco, Reiseziel Nummer eins in Peru. Prachtvolle Kirchen und stolze Kolonialgebäude mischen sich unter würdevolle Inkamauern – einladender könnte der Kontrast nicht sein, sich mit den unzähligen Epochen zu befassen, die das Land durchlebt hat. Residenztipp: San Blas! Das malerische Künstlerviertel im oberen Teil der Stadt versprüht europäischen Charme, verspricht traumhafte Aussichten und süße, kleine, gepflegte Pensionen für jeden Geldbeutel. Auch wenn die meisten Reisenden wohl in hibbeliger Vorfreude auf Machu Picchu ankommen: Keinesfalls versäumen, einige Tage für die Landschaft um Cuzco einzuplanen! Mitreisende schwärmten von den Saqsayhuamán-Ruinen und der „unvergleichlichen Inka-Baukunst“. Unbedingt eine Wanderung zu Fuß oder zu Pferd machen, die Umgebung mit ihrem sagenhaften Spiel aus Licht und Schatten auf unzählig vielfältigen Grüntönen unter blauem Himmel ist atemberaubend. Am besten mit privatem Führer!

Unangefochtener Höhepunkt blieb nichtsdestotrotz Machu Picchu. Von der beeindruckenden architektonischen Leistung abgesehen: Das Gefühl, mit einem einzelnen Blick mehrere hundert Meter in Höhe und Tiefe gleichzeitig erfassen zu können, ist kaum sprachlich auszudrücken. Wie Spielzeug bewegten wir uns klein und unbedeutend auf den mächtigen Gipfeln. Viele Reisende fahren mit dem Bus zur Inka-Stätte. Bekannte erzählten uns begeistert, wie froh sie waren, oben genügend Energie zu haben, um die Pracht des Ortes in vollen Zügen zu genießen. Für uns kam die Bedeutung der Stätte jedoch erst dadurch zum Ausdruck, dass wir unausgeschlafen in völliger Dunkelheit losmarschiert und die vielen Höhenmeter zu Fuß hinaufgeschnauft sind. Unter Schweiß und Tränen kämpften wir uns auch noch den Huayna Picchu hinauf und müssen nach dieser Erfahrung zugeben: Nichts folgte, was dieses Erlebnis hätte toppen können. Wir blieben regelrecht ergriffen zurück angesichts der kulturellen Leistung, in solcher Höhe und an einem solch unzugänglichen Ort etwas derart Magisches zu schaffen.

Enttäuscht waren wir allerdings von der Rückfahrt im viel zu engen Zug. Die Natur ist schön, aber eintönig – die Busfahrt viel abwechslungsreicher! Wer keine Gelegenheit hat, den Inka-Trail zu wandern, bekommt auf der kleinen Wanderung nach der Busfahrt immerhin einen Eindruck dessen, was er verpasst hat. Der Weg führt am Fluss Urubamba entlang und schlängelt sich durch Täler am Fuße des Machu Picchu und benachbarter Berge, vorbei an Bananenstauden und begleitet von allerlei Zirpen tropischer Vögel. Etwa dreißig Minuten Fußweg vor Aguas Calientes liegt, völlig abgeschieden, die hübsche Pension Jardínes de Mandor, wo die nächtlichen Träume vom Rauschen des Flusses untermalt werden. Ein tolles Naturerlebnis, das lockt, den Ausflug zum Machu Picchu um einige Tage zu verlängern und die herrliche Ruhe zu genießen, bevor es zurück nach Cuzco geht!


Reisetipps

Wer mag, kann noch Nazca mit einem Flug über die geheimnisvollen Geoglyphen anhängen, oder einen Besuch in der Kolonialstadt Arequipa, Ausgangsbasis für Treckingtouren in den Colca-Canyon oder umliegende Vulkane. Wir empfanden die Route jedoch als recht „Stadt-lastig“. Unsere Empfehlung für Reisende mit weniger als 4-5 Wochen Zeit lautet daher: Lieber einige Orte weglassen (Huancayo, Andahuaylas) und sich unterwegs Zeit nehmen, um mal spontan in einem Dorf auf der Strecke zu übernachten (Izucacha), oder mehr Zeit für die einzelnen Stationen einplanen, um ausgiebige Ausflüge in die Umgebung zu machen.

Mitreisende haben immer wieder betont, wie froh sie waren, auch mal die typischen Routen verlassen zu haben. Es lohnt sich außerdem – und dies entspricht auch unserer Erfahrung – private Führer ausfindig zu machen, anstatt im erstbesten Reisebüro eine Bustour zu buchen.

Ein Tipp am Rande: Die Reise führt durch eine der ärmsten Regionen Perus. Vor allem bei der Wahl von Touranbietern können Reisende mit beeinflussen, inwieweit Tourismus dem Land nützt. Lieber nach Anbietern fragen, die verlässliche und langfristige Kooperationen aufbauen und damit die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung in ihrem direkten Umfeld unterstützen. Nicht zuletzt haben solche Organisationen oft die besseren Führer parat! 

Fotos: Oreja/Rupp

Artikel-Info
Land Peru
Gebiet Anden-Region
Kontinent Südamerika
Thema Reisereportage
Autor Elena Rupp