„Hier an der Algarve leben wir jetzt und genießen."

Interview mit erfolgreichen Portugal Auswanderern

Liebe Heike, lieber Helge,
Sie haben einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Von der Chefsekretärin beziehungsweise vom Software-Entwickler plötzlich zu Hoteliers an der Algarve. Wann haben Sie zum ersten Mal konkret daran gedacht, diesen Schritt tatsächlich zu gehen?

Wir haben während unserer Urlaubszeiten oft darüber gesprochen, wie schön es wäre – auch des besseren Klimas wegen – in einem anderen Land als Deutschland zu leben und zu arbeiten. Nach vielen erlebnisreichen Reisen innerhalb und außerhalb Europas, die eine große Bereicherung für unser gemeinsames Leben darstellten, haben wir gewusst, dass wir den Rest unseres Lebens nicht unbedingt in Deutschland verbringen wollten. Nur wie es so ist, es fehlt einem meistens an Gelegenheiten. Und einfach so „ins Blaue hinein“, das ist nicht unser Ding. Nach einigen Urlauben in Portugal bekamen wir 2011 dann das Angebot, die Pension, in der wir einige Male zu Gast waren, im darauffolgenden Jahr zu übernehmen. Wir waren überzeugt, dass dies genau das Richtige für uns war.

Es gibt so viele schöne Orte auf dieser Welt – warum musste es ausgerechnet Portugal und die Algarve sein?

Wir haben uns in die Mentalität der Menschen und in die wundervolle Natur verliebt. Das Gefühl „Hier können wir uns vorstellen zu leben – mit allen Konsequenzen“ gab den letzten Ausschlag. Das Bauchgefühl hat entschieden! Wir fühlten uns während sämtlicher Urlaubszeiten in Portugal immer rundum wohl. Auch die wirtschaftliche Krise in Portugal konnte uns von der Entscheidung nicht abhalten.

Würden Sie sich als „klassische Aussteiger“ bezeichnen?

Wenn man als „klassischer Aussteiger“ jemand ist, der mit der Hoffnung auf ein gesünderes, stressfreieres Leben ohne Konsumwahn und Leistungsdruck in ein anderes Land geht, dann ja! Wir haben die Entscheidung getroffen, Deutschland zu verlassen, weil wir uns zu stark der Leistungsgesellschaft ausgesetzt sahen. Dass wir hier mehr Stunden täglich – ohne einen freien Tag in der Saison – arbeiten werden, war uns bewusst. Allerdings wiegt die Möglichkeit, selbstständig, eigenverantwortlich und nicht fremdbestimmt arbeiten zu können und dabei noch Spaß an der Arbeit zu haben, letztendlich komplett auf, wie viele Stunden man an einem Tag gearbeitet hat – hier zählt nur die Qualität bei dem, was man tut.

Wie waren damals die ersten Wochen im neuen Leben?

Wir haben uns sehr schnell eingelebt. Die ersten Wochen waren ausgefüllt damit, sämtliche Formalitäten im Zusammenhang mit dem Umzug/Einbürgerung, Renovierungsarbeiten am Objekt sowie bereits eingehende Anfragen und Buchungen für unsere Pension in Carvoeiro zu erledigen. Wir haben bei einem guten Portugiesisch-Lehrer in Pera einen Kurs gebucht, denn für uns war von Anfang an klar, dass wir auf jeden Fall die Sprache des Landes erlernen möchten, in dem wir zukünftig leben wollen! Zwischendurch haben wir Ausflüge und auch Ruhephasen genossen, um für den Start unseres ersten Gästehauses Energie und Kraft zu tanken. Wir haben uns riesig auf die ersten Gäste gefreut.

Was hat Sie dazu bewogen, sich dann ein weiteres Mal zu verändern und ein neues Gästehaus zu übernehmen?

Grundsätzlich haben wir das erste Mal mit dem Gedanken gespielt, als wir uns nach einiger Zeit starken Problemen mit dem Eigentümer der ersten Pension ausgesetzt sahen. Bereits nach eineinhalb Jahren waren wir in Carvoeiro sehr gut „angekommen“ und auch erfolgreich. Wir hatten ein gutes Netzwerk. Viele Bekannte und auch Restaurantbesitzer, denen wir immer unsere Gäste schickten, kannten uns und die Pension trotz der relativ  kurzen Zeit schon sehr gut. Wir haben der Pension ein Gesicht gegeben. Denn obwohl diese bereits etliche Jahre bestand, kannte sie vorher kaum ein Einheimischer im Ort.
Aber irgendwie spürten wir auch, dass es auf Dauer nicht der richtige Platz für uns ist. Ein Ort, der praktisch nur von  Tourismus lebt und überlebt, sollte nicht unsere persönliche Erfüllung sein.  Lernt man nicht ein Land erst besser kennen, wenn man dort „richtig lebt“? Portugal und die Algarve haben so viel Schönes zu bieten! Hier kann man noch den Ursprung, die Tradition und die Ruhe des Landes erleben.

Auf unseren Ausflügen stellten wir immer wieder fest, dass uns die grandiose, letztendlich noch nicht vom Tourismus überlaufene Westküste mit ihrer intakten Natur, der Ruhe sowie den atemberaubenden Stränden sehr viel besser gefällt als die Südküste, die unserer Meinung nach ein wenig von ihrem ursprünglichen Charakter eingebüßt hat und gerade in den Sommermonaten recht überlaufen sein kann. Also haben wir uns auf die Suche nach einem neuen Objekt begeben. Und sei es nun wieder einmal Schicksal oder nicht, haben wir den richtigen Ort inmitten der Natur für uns und unsere Gäste gefunden.

Wenn ich als Gast zu Ihnen komme – was darf ich erwarten?

Eine freundliche, herzliche Atmosphäre, viel Licht in einem Haus mit positiver Energie und das Gefühl, jederzeit willkommen zu sein! Außerdem Ruhe und Entspannung, Gemütlichkeit und ein gutes Frühstück für einen schönen Start in den Urlaubstag. Dazu Gastgeber, die authentisch sind und ihre Aufgabe mit Liebe und Freude erfüllen. Und nicht zu vergessen Philomena, die unser Haus pflegt, nebenbei noch gut kochen kann und sich mit den portugiesischen Weinen auskennt!

Stimmt es, dass Sie auch Hochzeiten ausrichten?

Ja, wir haben beschlossen, dieses Angebot zu machen – denn das Haus ist aufgrund seiner Location und Möglichkeiten einfach ideal, um Feierlichkeiten im überschaubaren Rahmen auszurichten. Grundsätzlich bietet das Haus Platz für 22 Personen. Sollten es mehr werden, könnten einige Gäste natürlich in die umliegenden Hotels zwecks Übernachtung ausweichen. Wir würden aber tendenziell eher einen privaten, romantischen Rahmen mit überschaubarer Personenanzahl vorziehen! Aufgrund unserer Erfahrung mit Gruppenreisenden wissen wir, dass unser Anwesen ein toller Ort dafür wäre. Man kann hier in privater Atmosphäre feiern, ohne zu stören oder gestört zu werden. Natürlich können wir die Vorbereitungen und Aufbereitungen nicht alleine durchführen, sind jedoch in der Lage, auf ein Netzwerk von Veranstaltern, Caterern, Musikern und anderen zurückzugreifen. Gerne kümmern wir uns auch um Kontakte zum Standesamt oder organisieren eine Trauungszeremonie am Strand.

Sind Sie als deutschsprachige Ansprechpartner immer in der Nähe?

Ja, wir wohnen auf dem Grundstück.  Für uns war dies unbedingte Voraussetzung bei der Suche nach einem geeigneten Objekt. Wir teilen uns mit unserer „Perle“ Philomena das etwa 100 Jahre alte Haus, in dem früher die Grundschule für die Kinder der umliegenden Bewohner gewesen ist. Heute sind in dem Haus zwei Appartements untergebracht. Wir sind der Meinung, dass auch die Gäste sich wohl fühlen, wenn wir schnell erreichbar sind.

Was ist für Sie ganz persönlich das Schönste, das man in oder rund um Ihr Gästehaus erleben kann?

Die wundervolle Natur drum herum, der traumhafte Weitblick „auf die Welt“ aus allen Zimmern, die Tatsache, dass unser Haus ein echtes Unikum ist und man hier noch wirkliche Erholung finden kann. Und sechs Katzen und eine liebevolle Hündin, die unser Leben bereichern!

Haben Sie einen echten Geheimtipp, was Ausflüge oder Aktivitäten in der Umgebung angeht?

500 Meter von unserem Haus entfernt liegt ein Reiterhof. Eine Kutschfahrt oder ein Ausritt zu Pferde durch die Natur, beispielsweise bis zum Traumstrand von Bordeira, verbunden mit einem Picknick am Strand, ist ein ganz besonderes Erlebnis.

Fahrten mit dem Mountainbike führen durch weitgehend unberührte Natur. Helge hat einige sehr schöne Touren ausgearbeitet.

Wer Strände liebt, die nicht überfüllt sind, sollte unbedingt neben dem Strand von Bordeira/Carrapateira auch Praia do Cordoama oder Amoreira besuchen. Auch die Klippen von Arrifana sind ein Muss! Hier hat man neben dem sehr guten Fischrestaurant „O Paulo“ in Alleinlage oben auf den Klippen einen phantastischen Blick auf die Strände und die wild zerklüftete Küste auf der anderen Seite. Abends geht dort die Sonne unter – einfach umwerfend!

Was macht das Leben in Portugal allgemein für Sie aus?

Sich auf das Wesentliche im Leben zu besinnen, sich an kleinen Dingen zu erfreuen – das können wir hier in Portugal. Hier reicht es, eine Weile auf der Bank vor unserem Haus zu sitzen und in die großartige Natur zu schauen: Man fühlt sich entspannt und ist glücklich. Die Hektik der Großstadt in Deutschland, der Stress und Leistungsdruck, dies alles ist für uns weit weg – trotz langer Arbeitstage während der Saison! Wir lieben, was wir tun. Und ein wenig mehr portugiesisches „com calma“ täte vielen Menschen ganz gut (lachen).

Hier in Portugal haben wir einige Menschen kennengelernt, für die das Wort „Nachbarschaftshilfe“ noch etwas bedeutet. Hier kennt meistens einer einen, der einen kennt – und der einem bei Bedarf hilft.

Erst die Möglichkeit, einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert. Und wir wissen, dass Träume nur in Erfüllung gehen, wenn man selbst etwas dafür tut. Dies haben wir getan und den für uns richtigen Platz hier in Portugal gefunden.

Welches kulinarische Highlight sollte ein Algarve-Besucher unbedingt probiert haben?

Wenn man Fisch mag, empfehlen wir Arroz de Tamboril (Seeteufel) oder eine landestypische Cataplana, die man wahlweise aber auch mit Hähnchen bekommen kann.

Hähnchen ist übrigens auch bei den Portugiesen sehr beliebt. Besonders Hähnchen Piri-Piri (kleine scharfe Schoten, die frisch, getrocknet, gemahlen oder als Sauce auf den Tisch kommen) sollte man einmal gegessen haben. Weiterhin gibt es für Fleischliebhaber gerade hier bei uns in der Region hervorragenden Wildschweinbraten. Das Restaurant „Solar do Pincho“, etwa 15 Autominuten von uns entfernt, ist ein absoluter Geheimtipp, welches uns von Einheimischen empfohlen wurde.

Wie oft sind Sie noch in Hamburg, Ihrer alten Heimat? Gibt es noch so etwas wie Heimweh?

Wir leben seit März 2012 in Portugal und sind noch nicht wieder in Hamburg gewesen! Wir haben früher gerne in Hamburg gelebt, aber trotzdem zieht es uns nicht mehr nach Deutschland. Heimweh haben wir zu keiner Zeit gehabt. Gute Freunde und Familie besuchen uns regelmäßig hier und ansonsten vermissen wir nichts. Im März 2014 war ich, Heike, für drei Tage zur Award-Verleihung eines Reiseportals in Berlin: Das Event war wirklich sehr schön, aber Berlin ist nicht meine Stadt und ich habe Freudentränen vergossen, als ich auf der Rückreise beim Landeanflug auf Faro aus dem Flugzeug geschaut habe. Dies war für mich ein großartiger Moment, denn ich habe gedacht: „Endlich wieder zu Hause!“ Schön, wenn man dies von seiner Wahlheimat sagen kann.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Das Wichtigste: Gesund bleiben, weitermachen dürfen, Frieden.

Und last but not least: viele nette Gäste, die sich bei uns wohlfühlen!

Vielen Dank für das sympathische Gespräch!

 

Das Interview führte Simon Grünke.

Artikel-Info
Land Portugal
Gebiet Algarve
Thema Interview Urlaubsanbieter
Autor Simon Grünke