Aktivurlaub in Bolivien

Die Highlights der Cordillera Real

Gratwanderungen und Gipfel wie aus dem Bilderbuch

Alle wollen sie auf den Machu Picchu – Perus Nachbarland Bolivien hingegen taucht auf der mentalen Karte touristischer Highlights in Südamerika oft nur als Anhängsel einer Peru-Tour auf. Warum eigentlich?

Unsere Autorin Elena Rupp verbrachte einen Monat in La Paz und begab sich von dort auf Erkundungstour. Für Travel Friends stellt sie die spannendsten Abenteuer in den bolivianischen Anden vor.

Wie Wattebäusche hängen die Wolken in der Schlucht. Fast scheint es, als könne man hineingreifen. Die Sonne ist schon hinter dem Gipfel verschwunden und es ist augenblicklich kühler geworden. Fröstelnd klammere ich meine Finger um die heiße Tasse und lasse meinen Blick über die Schluchten schweifen. Gewaltig breitet sich das Bergmassiv des Huayna Potosí unter uns aus. Im Rücken, die Wärme der Sonne verdeckend, reckt er provokant gelassen seine Spitze gen Himmel. Versuch’s doch! Scheint er hämisch zu lachen. Im Zelt nebenan kochen die Bergführer das Abendessen, ein süßlich-strenger Duft steigt in meine Nase. Tomatensauce – wahrscheinlich aus der Tüte. Hier oben schmeckt ohnehin alles gut. Ich werfe einen letzten Blick in den wolkenverhangenen Abgrund, ehe ich mich drinnen erschöpft auf eine Bank fallen lasse. Geschafft, denke ich. Fürs Erste.

Die Cordillera Real ist ein Paradies für Trekkingfans und Bergsteiger und La Paz ein idealer Ausgangspunkt für Touren. Auf rund 3600 bis 4000 Metern Höhe schmiegt sich die Stadt in einen Talkessel, eingebettet in eine Traumkulisse aus schneebedeckten Bergspitzen. Von Wandern über Trekking bis Bergsteigen finden Profi-Alpinisten wie Hobby-Bergsteiger hier eine Fülle von Routen in allen Schwierigkeitsgraden. Beliebt ist der Huayna Potosí mit seinem wundervoll geformten Pyramidengipfel, der im Vergleich zu anderen Sechstausendern in den Anden keine allzu große technische Herausforderung darstellt und sich gut für weniger erfahrene Alpinisten eignet. Für „Otto Normalo“ empfiehlt sich eine Dreitagestour, die auf 4800 Metern Höhe mit einem Übungstag auf dem Gletscher startet – so hat man auch ein wenig Zeit sich an die Höhe zu gewöhnen. An senkrechten Eiswänden kann man hier erproben, was die Hardliner so bewältigen. Der zweite Tagesmarsch führt vorbei an pastellgrünen Gletscherseen und über schroffe Bergkämme. Man kämpft sich mit Sack und Pack über Stein und Geröll – denn anders als beim ebenfalls sehr schönen Condoriri Trek, wo Esel oder Lamas aushelfen, heißt es hier: Gepäck selbst schleppen. „Legt euch schlafen, Mitternacht müssen wir raus!“ mahnt Alex. Eis und Schnee werden in der Sonne rutschig, und wer zu spät zum Gipfel kommt, dem kann der Feuerball am Himmel auf dem Rückweg zum Verhängnis werden… Nun umgibt uns tiefschwarze Nacht. Bis wir aufbrechen, wird sie sternklar sein.

 

Überwältigende Aussichten

Herausfordernd am Huayna Potosí ist vor allem der nächtliche Aufstieg zum Gipfel. Wer aber Übermüdung und Erschöpfung überwindet, staunt über einen unfassbar sternklaren Himmel, überwältigende Aussichten, unendliche Weite und einen sagenhaften Sonnenaufgang über dem Gipfel. Unvergesslich: das beeindruckende Erlebnis tiefer Stille.

Die Auswahl an Treks und Trails in der Cordillera Real ist schier unendlich. Zu den Königen zählt der 6439 Meter hohe Illimani, der sich stolz und massiv über der Stadt La Paz erhebt. Die echten Cracks kommen auch mit dem Sajama auf ihre Kosten, mit 6542 Metern der höchste Berg Boliviens. Wer keine allzu lockende Herausforderung darin sieht, seinen Körper an seine Grenzen zu treiben, kann einen der zahlreichen, landschaftlich atemberaubenden Trekkingpfade wählen, wie etwa den Choro Trail oder den Camino Takesi.

Nicht nur wegen der großen Auswahl eignet sich La Paz wie keine zweite Stadt der Welt als Ausgangspunkt zum Bergsteigen. Wer als Reisender hier weilt, hat sich meist schon etwas an die Höhe gewöhnt, zumal die meisten Touristen eine mehr oder minder lange Reise durch die Anden hinter sich haben. Trotzdem ist wichtig, die Anstrengung auf über 5000 Metern nicht zu unterschätzen – Reiseagenturen spielen die Herausforderung gern herunter. Unbedingt mehrere Tage zur Akklimatisierung einplanen und nicht gleich mit dem härtesten Sechstausender starten!

Zwischen Schneegipfeln und Tropenschwüle

Schwindelnde Abgründe, bizarre Salzwüsten und wilde Dschungelexpeditionen

Talfahrt mit Nervenkitzel

„Alle mal herhören, Freunde!“ Ronald lehnt sein Mountainbike an den Hang und formt die Hände zum Megafon. „Ich will euch Anweisungen für den nächsten Abschnitt geben!“ Seit der letzen anderthalb Stunden hören wir den Satz bestimmt zum dritten Mal. Doch die Instruktionen sind wichtig: Rund 3500 Höhenmeter geht’s mit dem Rad in weniger als vier Fahrtstunden hinab – auf der „gefährlichsten Straße der Welt“. Die Yungas-Straße führt vom Regierungssitz La Paz in die bolivianischen Yungas, eine Region an der Grenze zwischen Anden und tropischem Tiefland. Die Fahrt ins Tal führt durch sieben Vegetations- und mehrere Klimazonen – ein außergewöhnliches Natur- und Landschaftserlebnis. Doch ihren Beinamen hat die sogenannte „Straße des Todes“ nicht ohne Grund: In den 30er-Jahren von paraguayischen Kriegsgefangenen gebaut, führt die unbefestigte Fahrbahn ohne Leitplanken an tiefen Schluchten entlang und Steinschläge, Matsch und dichter Nebel können die Talfahrt zu einem gefährlichen Wagnis werden lassen. Besonders makabre T-Shirt-Aufdrucke werben mit Sprüchen wie „I’m a survivor of Death Road – and you?“ und zeigen Strichmännchen mit Bikes, die sich über einen steilen Abhang voller Kreuze beugen. Und tatsächlich: Bis 2006 eine sicherere Straße eröffnet wurde, auf die der Verkehr umgeleitet wurde, kamen im Jahr rund 200 bis 300 Menschen ums Leben. Nun soll all dies kein Argument sein, die Straße nicht zu fahren. Empfohlen sei aber eine gesunde Portion Respekt und Umsicht, denn heikle Bremsmanöver, Freihändig fahren und auf der falschen Seite überholen können tödliche Folgen haben. Ausnahmsweise also lieber mal auf den Übermut verzichten!

Gute und günstige Touren verkauft Jörg Röhner von Viacha Tours. Alternative: Downhill-Biking ins Zongotal, die Route ist von Touristen weniger erschlossen und landschaftlich ebenfalls sehr schön.

 

10.000 Quadratkilometer Salz

Stolz erhebt sich am Horizont der Vulkan San Pedro. Um uns herum: nichts als trockener, sandiger, versalzener Boden. Ragte nicht hier und da ein Gipfel aus dem Boden, es gäbe nichts als Weite, endlose Weite. Mitten in der kargen, wüstenähnlichen Gegend tauchen plötzlich tiefgrüne Seen, rote Lagunen und dampfende Geysire auf. Tausende Kilometer im Jeep über knirschend trockenen Boden führen bei dieser Tour vorbei an bizarren Landschaftsformationen, rosa Andenflamingos, grasenden Lamas und scheuen Vicuñas. Besonders ist die Region im Südwesten Boliviens bekannt für den Salzsee von Uyuni – Überbleibsel eines riesigen Urmeeres und mit über 10.000 Quadratkilometern die größte Salzwüste der Welt. Glitzernd breitet sich die weiße Kruste im Sonnenlicht aus, verschwimmt bei zugezogenem Himmel mit den Wolken am Horizont und verwandelt sich bei Regen in eine schillernde Spiegelfläche. Originell: Übernachtung im Salzhotel!

 

Bolivien: intensiv, wild und sanft zugleich

La Paz dient oft als Eingangstor zu Bolivien, von wo aus sich das Land gut erkunden lässt. Natürlich beschränken sich die Möglichkeiten nicht auf Bergaktivitäten: Viele Reisende starten hier Ausflüge nach Rurrenabaque, um von dort den wilden Dschungel oder das artenreiche Amazonas-Tiefland, auch Pampas genannt, zu erkunden. Nationalparks in Pampas oder Yungas laden ein, Natur von bestechender Schönheit zu bewundern und Wildtiere aus nächster Nähe zu beobachten.

Sich mehr Zeit für das Land zu nehmen, lohnt sich. In Bolivien zu reisen bedeutet sicher, ein Stück weit auf ausgebaute touristische Infrastruktur nach europäischen Standards zu verzichten. Belohnt wird man aber mit einer nie gesehenen landschaftlichen und kulturellen Vielfalt. Wer sich weiter vorwagt als bloß bis zur bolivianischen Seite des Titicacasees, stößt auf ein Land voller Kontraste zwischen gewaltigen Andengipfeln, tropischem Urwald, kargen Salzwüsten und bizarren Felsformationen, das Auswanderer nicht zuletzt wegen seines ursprünglichen Geistes und seiner authentischen Traditionen schätzen.

Reisetipps

Individuelles Reisen ist manchmal schwierig, doch an Tourangeboten, die man auch spontan vor Ort buchen kann, mangelt es nicht. So bietet Bolivien Mutigen die Möglichkeit, echte Abenteuerreisen in wundervollen, weitgehend touristisch unerschlossenen Gegenden zu erleben. Wer sicher vorher nicht auf entsprechenden Höhenlagen bewegt hat, sollte in La Paz erst einige Tage zu Ruhe kommen und den Reiseplan anfangs nicht zu voll packen. Direkt in den bolivianischen Regierungssitz zu fliegen will gut überlegt sein, vor allem ohne Erfahrung in großen Höhen. Das Klima auf dem Plateau der Anden, wo auch La Paz liegt, ist grundsätzlich kühl, trocken und sonnig. Die beste Reisezeit für Bolivien liegt in der trockenen Periode von Mai bis September.

Das Land wird häufig als touristenfeindlich eingestuft, was wir jedoch keinesfalls bestätigen können. Die Menschen wirken – wenn man aus anderen südamerikanischen Ländern einreist –  verhalten und reserviert, doch sie sind ausgesprochen freundlich und das ruhige Temperament ließen unsere Bolivien-Reise zu einem sehr angenehmen Erlebnis werden. Übrigens haben wir das Land – entgegen allgemeingültiger Stereotype – keineswegs als unsicherer als Peru erlebt, eher war das Gegenteil der Fall!

Fotos: Elena Rupp